Ihr Held.

Skizze von Paul Bliß.
in: „Dresdner neueste Nachrichten” vom 01.05.1921


Ungeduldig zupfte Lotte an den Schleifen und Bändern. Schon sieben Uhr und keine Spur von Hans!

„Er wird ja gleich kommen!” tröstete die Mutter begütigend, „um halb acht geht es doch erst los.”

Zappelnd lief Lotte umher. Dies Warten!

Und dann kam Hans, ruhig, lächelnd, begrüßte Mamachen und küßte der kleinen Ungeduldigen die Hand.

Da war denn Lottchens Zorn verflogen.

Strahlend sah sie ihren Kavalier an, sie hatte ihn gern, sehr gern sogar.

Und dann los — nur nicht den Anfang versäumen! Das war jetzt die größte Sorge.

Unterwegs schwärmte sie natürlich von „ihm” — dem Heinz Wolter, dem Star aller Kinodramen, dem Angebeteten aller jungen und alten Mädchen, den auch sie „himmlisch” fand.

Hans hörte ruhig zu und lächelte stillvergnügt, — er wußte genau, wie es in dem Herzen seiner Angebeteten aussah, aber er ließ sie ruhig schwärmen, — er konnte warten.

Endlich saßen sie im Kino. Aber erst, als Heinz Wolter in seinem neuesten Drama auftrat, da erst begann Lottchens Herz zu pochen.

Das war er nun wieder in seiner ganzen Glorie! In allen Rollen hatte sie ihn schon bewundert, aber immer gefiel er ihr besser —, kein andrer war so elegant, so anbetungswürdig.

Und Hans betrachtete sie heimlich — und freute sich, wie herrlich schön sein Mädel aussah! Daß sie jetzt für den andern schwärmte, tat ihm nichts, — er lächelte heimlich.

Später saß Lotte daheim in ihrem Zimmerchen und kramte in den Bildern und Briefen ihres Helden. Sie hatte ihm — wie so viele andre auch — einen anhimmelnden Brief geschrieben. Und er hatte gedankt, sein Bild mit Namenszug geschickt. Dann hatte sie wieder geschrieben, und um ihm eine Freude zu machen, hatte sie ihm ein Paketchen geschickt, — Erträgnisse ihrer kleinen Wirtschaft, — Butter, Eier und Schinken. Und das hatte ihm gefallen. Begeistert war der Dankesbrief gewesen. Natürlich war Lotte entzückt darüber und hatte bald ein zweites Paket folgen lassen. Und so hatte sich nach und nach eine rege Korrespondenz angesponnen. Eines Tages hatte Mutterchen das gemerkt. Sie lächelte nur, — sie kannte ja ihr Mädel, — wrum sollte sie ihr die unschuldige Freude stören?

Aber dem Hans sagte sie es doch einmal, — so ganz vertraulich, — wie so Mütter praktisch zu denken wissen.

Doch Hans nickte nur schelmisch, — auch er wußte es bereits, aber er lächelte nur.

Und dann wurde Hans eines Tages deutlicher und sprach von Heirat, so daß Lotte doch leise erschrak.

Natürlich trat Mütterchen für Hans ein, — er sei ein lieber Mensch, — eine gute Partie, da gäbe es doch erst gar kein Besinnen!

Eines Tages aber war ihr Plan fertig: sie mußte erst Gewißheit haben.

Heimlich packte sie ein Körbchen voll erlesener Leckerbissen ein, heimlich fuhr sie nach Berlin.

Zu „ihm” natürlich! Er sollte entscheiden.

Als sie drei Stunden später an der Wohnung des berühmten Mannes die Klingel zog, da pochte ihr das Herz zum Zerspringen.

Eine ältere Dame öffnete. Doch als Lotte ihren Namen nannte, traf sie ein sonniger Blick aus dankbaren Augen, und schon war sie hineingezogen. Lotte erbebte, — jetzt, jetzt würde sie ihn sehen, — ihren Helden, jetzt zum ersten Male Auge in Auge, — kaum atmen konnte sie mehr.

Und dann sah sie ihn. Mit herzlichem Lachen kam er ihr entgegen und hieß sie willkommen.

Lotte aber erstarrte, denn sie wurde mit harter Hand aus allen ihren Träumen gerissen.

Das hatte sie nicht erwartet. Das nicht.

So sah er in Wirklichkeit aus? — So trottelhaft bequem, so salopp, so alt und verschminkt sah der fesche Kerl aus, den sie im Bilde so angehimmelt hatte?

Außerdem war er längst verheiratet und hatte zwei große Buben, — nein, das ertrug sie nicht! Schnell, fast verschüchtert gab sie ihr Körbchen ab und schnell war sie wieder draußen. — —

In der Bahn erst kam sie wieder zu sich.

Und da weinte sie heimlich ein paar bitterwehe Tränen.

Zu Hause aber lachte wie bereits wieder. Zu Hause durfte niemand ahnen, was sie durchlebt hatte, — Hans am allerwenigsten!

Der tat denn auch, als merke er gar nichts, — keck und forsch hielt er nun um das Lottchen an.

Und er bekam keinen Korb. Glücklich lag Lotte in seinem Arm. Glücklich wurde sie seine Frau.

Da lächelte er denn schelmisch; — er war nämlich so vorsichtig gewesen, sich lange vorher schon nach den Familienverhältnissen des Helden zu erkundigen, — deshalb konnte er alles so ruhig mit ansehen . . .

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